Vorbemerkung

Während meines etwa einjährigen Japan-Aufenthaltes (10/1996 - 8/1997) habe ich ein paar persönliche Erfahrungen über die japanische Lebensart und die japanische Kultur gesammelt und in Form von 12 kleinen Episoden (JaIm = Japan-Impressionen) niedergeschrieben. Diese habe ich als E-Mails an einige Bekannte in Deutschland geschickt. Der Inhalt der Briefe ist original, lediglich ein paar offensichtliche Rechtschreibfehler habe ich mir erlaubt zu verbessern. Sogar die Umlaute habe ich absichtlich nicht konvertiert, um die Originalität zu erhalten (auf der japanischen Computer-Tastatur gibt es keine deutschen Umlaute).


Übersicht

  Nr.     Datum        Titel

  JaIm1   Fr,31.10.96       Vorwort: ---  
                       Kinkasan, Verpacken
  JaIm2   Do, 5.12.96       Vorwort: Weihnachtsstimmung
                       Der Verkehr
  JaIm3   Mo, 9.12.96       Vorwort: ---  
                       Meine ersten Erfahrungen mit der japanischen Medizin
  JaIm4   Do,19.12.96       Vorwort: es schneit 
                       Weihnachtszeit, Kino, Mexikaner, Peru, Nachtrag: Akihito
  JaIm5   Di,  7.1.97       Vorwort: Schneeballschlacht 
                       Neujahrssonnenaufgang ueber dem Pazifik
  JaIm6   Mo, 20.1.97       Vorwort: ---  
                       Leben in Sendai 1: Tagesablauf im WS 96/97
  JaIm7   Mo,  3.2.97       Vorwort 1: Bohnen, Vorwort 2: Ski
                       Amateurfunk in Japan, Reiseplanung
  JaIm8   Mi,  5.3.97       Vorwort: Hochwasser im Saarland 
                       Hokkaido: Sapporo, Noboribetsu, Reiseplanung
  JaIm9   Mo, 21.4.97       Vorwort: ---  
                       Leben in Sendai 2: Preise
  JaIm10  Do, 29.5.97       Vorwort 1: Vorlesung, Vorwort 2: Weihnachten '96
                       Erdbeben
  JaIm11  Mo, 16.6.97       Vorwort: Regenzeit
                       Einladung beim Kaiser
  JaIm12  Fr,  1.8.97       Vorwort 1: Taifun Nr. 9, Vorwort 2: Wahlen
                       Leben in Sendai 3: Tagesablauf im SS 97
                            Nachwort: Abschied
    

Danksagung

Danken möchte ich an erster Stelle meiner Japanisch-Lehrerin, Frau Woirgardt, die mir die Grundlagen der japanischen Sprache beibrachte und mir so das Auslandsstudium ermöglichte.
Danke an den DAAD und die japanische Präfektur Miyagi, die mir das Stipendium gab.
Danke an die immer größer gewordene Leserschaft meiner Original-Japan-Impressionen, die mich ermutigt hat, halbwegs regelmäßig weiterzuschreiben.


Fr, 31.10.96

JaIm1

Kinkasan, Verpacken

Letztes Wochenende waren wir auf der Kinkasan-Insel im Norden der Miyagi-Praefektur. Die Insel ist beruehmt fuer die Rehe und scheuen Affen. Wir mussten auch ganz in den Norden der Insel laufen, um die ersten Affen sehen zu koennen. Es gibt dort eine herrliche, fast unberuehrte Landschaft. Nur in der Naehe des Hafens gibt es Strassen. Den Rest der Insel muss man sich zu Fuss erobern.
Organisiert wurde der 2-taegige Ausflug von einer Art Pfadfinder-Gruppe, die sich bestens auf der Insel auskennt (nur ca. 5 km Durchmesser, aber gebirgig).

Zum Abendessen gab's dann einheimische Meeresspezialitaeten. Ich habe alles wenigstens mal probiert (fiel mir auch leicht, da ich ziemlich Hunger hatte), allerdings von der Muschelsuppe habe ich nur ein Vieh verdrueckt. Den Tintenfisch hatte ich auch schnell beiseite geschoben. Lecker war der rohe Fisch mit Shoyu-Sosse, der Bratfisch und die Gemuesebeilagen. Der Reis hat schliesslich ein wenig das Loch im Magen gefuellt.

Am naechsten Morgen zum Fruehstueck hatte ich schon mit dem Schlimmsten (Muschelsuppe) gerechnet, aber sie blieb aus. Dafuer gab es ein rohes Ei, welches zusammen mit etwas Shoyu-Sosse ueber den Reis gekippt wurde. (Das war aber auch nicht so meine Lieblingsspeise, so dass ich nur den ei-freien Reis gegessen habe.) Dazu gab's Fisch und ein Tofu-Sueppchen. Gemuesebeilagen gab's in Extra-Schaelchen. (Ich moechte in Japan nicht spuelen wollen. Jede Speise kommt in ein separates Schaelchen. Allein bei einem Essen sind das pro Person bis zu 10 Schaelchen und Schuesselchen.)

Mit dem Verpacken haben es die Japaner sowieso. Sie legen sehr viel Wert auf das aeussere Erscheinungsbild. Wenn wir bei "Hiratsuka" (der praktisch einzige Laden in Sendai mit deutschem Brot) Teilchen (oder saarlaendisch: Kaffeestueckchen) einkaufen, sind die Dinger innerhalb von Sekunden 3-5 mal eingepackt (kein Witz!): Das Schokoteilchen wird zuerst mit einem Papierchen umhuellt, dann kommt es in ein kleines Plastiktuetchen. Zusammen mit anderen Teilchen in eine groessere Sammelplastiktuete. Das wiederum in eine schoen bedruckte Papiertasche. Zusammen mit anderen Papiertaschen kommt es schliesslich in die Trageplastiktuete. (Der reine Wahnsinn! Es dauert 10 mal so lange, bis ich das eine Schokoteilchen wieder ausgepackt habe, da alle Tueten zugeklebt sind.)

Aber die Japaner sind schnell lernfaehig: extra fuer uns Deutsche gibt es auch frisches Brot, das nicht schon vorverpackt in Plastiktueten, und damit labbrig ist. Auch beim Eintueten an der Kasse konnte ich sie jetzt schon bremsen. Ich bin wahrscheinlich der einzige, der ohne Plastiktuete aus dem Laden geht.

Naechsten Sonntag bin ich von meinem Gastvater (von vor 3 Jahren) zur Austern-Party nach Matsushima eingeladen. (Es waere sehr unhoeflich gewesen, diese Einladung abzulehnen.) Ich hoffe, dass es auch saettigende Beilagen gibt.

So viel erstmal aus Japan, 73

Christian


Do, 5.12.96

JaIm2

Kon'nichi wa Deutschland!

Vorwort:
Seit 2 Wochen herrscht in Sendai Weihnachtsstimmung. Die Baeume in der Fussgaengerzone sind mit Lichterketten geschmueckt und grosse Torii (normalerweise sind sie das Eingangstor zu einem shintoistischen Schrein) sind aufgestellt. Von der Decke haengen Schneemaenner, die auf einer Schaukel sitzen. Ueberall begegnet einem das Bild einer Kuh. Nach dem chinesischen Kalender ist dieses Jahr das Jahr der Ratte und naechstes Jahr (1997) das Jahr der Kuh.

Der Verkehr (koutsuu)

In Japan herrscht LINKSVERKEHR, so wie auch in England. Es hat ein ganzes Weilchen gedauert, bis ich mich daran gewoehnt hatte. Das Lenkrad ist dementsprechend auf der rechten Seite. Es war schon ein seltsames Gefuehl, als ich zum ersten Mal in einem japanischen Auto als Beifahrer auf der "Fahrerseite" sass, ohne ein Lenkrad in der Hand zu haben.
Der Linksverkehr gilt allerdings anscheinend nicht fuer Fahrraeder, von denen es hier mehr als in Deutschland gibt. Fahrradfahrer fahren ueberall; sowohl auf der Strasse links und rechts als auch auf dem Buergersteig. Da wird es ab und an schon mal sehr eng und gefaehrlich. Bewundernswert finde ich die Fahrkuenste der Japaner. Durch die engsten Strassen in der Naehe von unserem Kaikan (Wohnheim) fahren sie mit Kleintransportern. Auf Parkplaetzen mit Schlagloechern entscheiden Zentimeter zwischen Blechschaden und 'Glueck gehabt'.

Die AMPELN befinden sich jeweils auf der anderen Seite der Kreuzung. Ein Vorteil fuer den Autofahrer, der bei Rot ganz vorne an der Kreuzung steht. Er braucht sich - im Gegensatz zu Deutschland - nicht den Hals zu verrenken, um die Ampel zu sehen. In jeder Fussgaengerampel scheint ein Vogel eingesperrt zu sein. Sobald es gruen wird, hoert man einen Kuckuck oder einen anderen Vogel rufen, um auch den Blinden eine Chance zu geben, allein ueber die Strasse zu gehen.

BUERGERSTEIGE sind Luxus. Es gibt sie nur in der Innenstadt von Sendai. In der Umgebung von unserem Wohnheim gibt es sie so gut wie gar nicht. Aber wenn es sie gibt, sind sie mit besonderen Steinen bestueckt, die Blinden die Orientierung erleichtern.

Das BUSFAHREN laeuft voellig anders als in Deutschland ab. Einsteigen tut man hinten und aussteigen vorne. Gezahlt wird beim Aussteigen. Entweder bar oder mit einer Prepaid-Karte. Der Preis ist abhaengig von der Anzahl der Bushaltestellen, die man passiert hat. Auf einer grossen Anzeigetafel vorne beim Fahrer kann der aktuelle Fahrpreis fuer die Haltestelle abgelesen werden, an der man eingestiegen ist. Damit der Busfahrer kontrollieren kann, wo man eingestiegen ist, ziehen die Barzahler beim Einsteigen ein Zettelchen mit der Haltestellennummer bzw. die Kartenbesitzer schieben ihre Prepaid-Karte in einen Automaten, der unsichtbar die Haltestellennummer auf der Karte vermerkt.
Ueblicherweise bildet sich an der Haltestelle nach und nach eine Warteschlange senkrecht von der Strasse weg, die erst kurz vor der Hauswand abknickt. Dass aber dadurch der normale Fussgaenger- und Fahrrad-Verkehr auf dem Buergersteig erheblich behindert wird, stoert dabei weniger. Der weisse-Handschuhe-tragende Busfahrer haelt bis auf einen Meter genau am Haltestellenschild an (!). Auf unserer Strecke vom Kaikan in die Stadt fahren die Busse 4 mal die Stunde (sonntags nur 3 mal), allerdings nur bis kurz nach 10 Uhr. Dumm gelaufen also fuer die, die spaet abends in die Stadt wollen. Fuer die heisst es entweder laufen (ca. 40 Min.) oder Taxi fahren (sehr teuer: fast 10 DM allein an Grundgebuehr).

Bevor man sich in Japan ein AUTO kaufen darf, muss man erst einen Nachweis dafuer erbringen, dass man einen Abstellplatz fuer sein Vehikel hat.

ZEBRASTREIFEN sind in Japan nichts anderes als eine Verzierung der tristen Strassenoberflaeche. Man muss hoellisch aufpassen, um nicht als Kuehlerhaubenfigur zu enden.

BAUSTELLEN sind ein Erlebnis fuer sich. Besonders nachts. Sie sind geschmueckt wie ein Weihnachtsbaum: mit Lichterketten. Ausserdem sind mehr Leute damit beschaeftigt, den Verkehr mit einer rot blinkenden Kelle zu regeln, als Arbeiter auf der Baustelle arbeiten.

Soviel fuer dieses Mal...
73 chr

--
PS:
Seit Mo, 25.11.96 haben wir auch ein Gemeinschaftstelefon!
Um unnoetige Telefongebuehren durch Gespraechsvermittlung zu vermeiden,
bitte folgendermassen vorgehen:
einmal klingeln lassen, auflegen und noch einmal anrufen.
Warnung: Wenn wir ausser Haus sind, machen wir den Anrufbeantworter scharf. 
	 Der nimmt beim 6. Klingelzeichen ab und beglueckt den ahnungslosen
	 Anrufer mit einem japanischen Begruessungsspruch 
	 (kann leider nicht geaendert werden!),
	 anschliessend ist jede Menge Platz auf dem Tonband.

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   **                      Christian Kuehl                       **
   **   10-15-513 Sanjo-machi, Aoba-ku, Sendai-shi, 981, Japan   **
   **       FAX:  +81-22-274-8009  ("C. Kuehl, Room 513")        **
   **       TEL:  +81-22-272-9926  (ring, off, ring, ring,...)   **
   **   chku@stud.uni-sb.de     chris@sawaya.ecei.tohoku.ac.jp   **
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Mo, 9.12.96

JaIm3

Aus aktuellem Anlass:

Meine ersten Erfahrungen mit der japanischen Medizin

Es fing mit Halsschmerzen an. Zwei Tage spaeter hatte ich leichten Husten. Tendenz schlechter werdend. Ich entschloss mich, den HUSTENsaft zu nehmen, den ich mir aus Deutschland mitgebracht hatte. Ich bevorzuge Medikamente auf pflanzlicher Basis gegenueber Chemie-Haemmern. Dementsprechend war auch mein deutscher Hustensaft pflanzlicher Natur. Er hatte zwar gut geschmeckt, aber leider bei diesem Husten seltsamerweise nicht geholfen. Nach 4 Tagen war der Saft zu Ende und ich dachte mir: "Gib der japanischen Medizin mal eine Chance."

Gedacht, getan. Ich ging also letzten Montag zum Uni-internen Arzt und liess mich untersuchen. Alles kostenlos fuer Studenten. Nur die Medikamente muss man bezahlen. Der Arzt guckte mir in den Hals, hoerte mich kurz ab und verschrieb mir 9 kleine Tuetchen mit weissen laenglichen Granulat-Koernchen, von denen ich nach jeder Mahlzeit eines mit Wasser schlucken sollte. (Die Medikamente gab´s zu Studentenpreisen: nicht mal 100 Yen, also weniger als 1,40 DM). Vor der Untersuchung hatte ich mir extra die japanischen Woerter fuer "Pflanzliche Medikamente" rausgesucht und den Arzt nach solchen gefragt. Diese scheinen aber im heutigen Japan voellig unueblich zu sein.

Nach dem zweiten Tag zeigten sich Fortschritte: ich konnte die Nacht wieder ohne Hustenanfaelle durchschlafen. Allerdings zeigten sich auch bereits Nebenwirkungen des Chemie-Medikaments: Ich hatte das Gefuehl nicht mehr ganz klar im Kopf zu sein, irgendwie "benebelt" (ist ja nix Neues, werden manche denken :-) , aber ernsthaft, es war schon ein seltsames Gefuehl). Nach 3 Tagen war auch der Chemie-Vorrat zu Ende und ich ging noch einmal zum Uni-Arzt. Diesmal ein anderer Arzt. Ich erzaehlte ihm, dass mein Husten besser geworden ist, aber auch von den Nebenwirkungen. Er meinte, das sei nichts Ungewoehnliches und verschrieb mir eine weitere 3-Tages-Ration. Zusaetzlich auch etwas zum Gurgeln. (Alles zusammen diesmal unter 3 DM). Ich nahm die Medizin weiterhin fleissig. Es kam allerdings eine weitere Nebenwirkung (jap.: fukusayou) hinzu: meine Haende fingen an zu zittern. So etwas hatte ich bis jetzt noch nicht erlebt.

Freitag abend waren Michael und ich und noch 5 andere Deutsche, die sich zur Zeit in Sendai aufhalten, als Ehrengaeste zur diesjaehrigen Weihnachtsfeier von der Deutsch-Japanischen-Gesellschaft eingeladen worden. Es gab ein paar japanische Spezialitaeten, aber groesstenteils europaeische Kueche (z.B. italienische Pizza und leckeren Kuchen). Ich wollte aber auf etwas anderes hinaus: Das Zittern wurde so stark, dass ich das Orangensaftglas nicht mehr ruhig mit einer Hand festhalten konnte. Ich brauchte beide Haende!
Ich hatte mich bereits mittags dazu entschlossen, die Chemiepuelverchen abzusetzen. Die Nebenwirkungen liessen bis Sonntag auch nach. Jetzt huste ich zwar wieder ein wenig, aber das ist mir noch lieber als diese unberechenbaren Nebenwirkungen.
Nach meinen ersten Erfahrungen mit der japanischen Medizin halte ich es von nun an so: japanische Chemie-Medizin nur noch im Ernstfall!

O daijini (gute Besserung!) und 73
chr

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falls jemand die Telefonkosten nicht scheut, wuerde ich mich ueber 
einen Anruf aus der Heimat sehr freuen!
(die groesste Chance mich persoenlich zu erreichen ist werktags zwischen
22 und 23 Uhr Ortszeit, das entspricht 14 bis 15 Uhr deutscher Zeit)

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   **                      Christian Kuehl                       **
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Do, 19.12.96

JaIm4

Vorwort:
es schneit... :-)
....und ich bin mit dem Fahrrad an der Uni :-(

Weihnachtszeit, Kino, Mexikaner, Peru

Im Moment bin ich eigentlich ziemlich im Stress. Die letzten Naechte habe ich weniger als sonst geschlafen. Weihnachtszeit ist schon anstrengend. Obwohl es in Japan nur recht wenige Christen gibt, kommt das Weihnachtsgeschaeft sehr in Mode. Alle grossen Kaufhaeuser machen riesige Werbeaktionen. Ueberall werden schon seit 3 Wochen Weihnachtslieder gedudelt. Es gibt sogar eine japanische Version von "Jingle Bells". Aber das alles ist noch nicht das Problem. Das Problem sind die Weihnachtsfeiern und das Postkartenschreiben. Ich glaub' ich muss mal einen Tag "blau" machen, damit die Karten noch rechtzeitig nach Deutschland kommen. Sind die Weihnachtskarten alle fertig, dann kann ich gleich mit den Neujahrsgrusskarten fuer die japanischen Bekannten weitermachen. Um mir da die Sache etwas zu erleichtern, habe ich mir Stempel mit japanischen Grussformeln zugelegt; mal schauen, ob das wirklich eine Erleichterung bringt.

Letzte Woche war ich zusammen mit Deutschen, Japanern, Amerikanern, Malaysiern im Kino. Hier gibt es noch richtige Kinos: ca. 600 Plaetze und gute Akustik. Der Film hiess "Independance Day". In Deutschland bin ich nicht mehr dazu gekommen, ihn mir anzuschauen. Der Film war in englischem Originalton mit japanischem Untertitel. Witzig. An einer Stelle im Film fehlte jedoch der Untertitel. (Zwei Saetze waren in Original-Japanisch!) An einer anderen Stelle, wo englischer Original-Untertitel kam (als das Russische ins Englische uebersetzt wurde) ist der japanische Untertitel zur Seite ausgewichen. Es gab sozusagen Unter- und rechte-Seite-Titel. Uebrigens ist Kino in Japan ein teurer Spass! Fuer Studenten gab es zwar ausnahmsweise Ermaessigung, aber das waren immer noch 1500 Yen, also 21 DM.

Anschliessend bin ich noch ein wenig durch die Stadt gezogen, um ein paar Nachtaufnahmen (NacHt!) zu machen. Da sprach mich ein Japaner an, ob ich nicht ein Foto von ihm und seiner Frau machen koennte (mit einer typischen Japan-Papp-Kamera!). Wir kamen ein wenig ins Gespraech (soweit es meine Japanisch-Kenntnisse hergaben), anschliessend haben sie mich in ein mexikanisches Lokal eingeladen... mit Livemusik und jeder Menge zu trinken 8*). Schliesslich hat sich noch der Live-Musikant zu uns gesellt. "Mein" Japaner hat ihn einfach herbeigewunken... die beiden kennen sich schon seit 8 Jahren. Der Mexikaner konnte besser Englisch sprechen als ich. Abschliessend wurde ich von den Japanern zum Homestay eingeladen. Muss nur anrufen. Ich hab´ das allerdings nicht so richtig verstanden, ob die mich gleich fuer eine ganze Woche dabehalten wollten oder nur fuer einen Tag. Sie haben erzaehlt, dass sie schon Studenten aus Amerika und Australien bei sich hatten... Das klaert sich vielleicht beim naechsten Anruf.

Heute morgen gab es weder CNN- noch ZDF- noch FRANCE2-Nachrichten. Alles ausgefallen. Die ganze Zeit gab es auf mehreren Kanaelen simultan Liveberichterstattung aus Lima. Zwischen 4 und 27 Terroristen haben die japanische Botschaft in Peru gestuermt, als gerade eine Feier mit 200 bis 600 Personen dort stattfand. Unser Fernseher ist mit Zweikanalton ausgestattet, so dass man auch den Originalton hoeren kann. So hoeren wir auch fast jeden Morgen kurz nach 7 Uhr die deutschen Nachrichten vom Vortag. Das Dumme an der Geschichte war nur, dass heute die Originalsprache Spanisch und die Normalsprache Japanisch war. Auslaender mit geringen Sprachkenntnissen haben also schlechte Karten!

Trotz dieser duesteren Nachrichten:

            *                      Frohe Weihnachten
          |* *|
          *   *
         * o   *                          und
          *   * 
        |*     *|           Alles Gute fuer das kommende Jahr 
        * @     * 
      |*       o *|                      1997
      *     o     *
     ***************
      ^    |||    ^  


                                                                 73 chr

PS: Mal schauen, wie spontan die Japaner hier am Lehrstuhl sind.
    Werde gleich mal fragen, was sie von einer kleinen Schneeballschlacht
    halten.

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falls jemand die Telefonkosten nicht scheut, wuerde ich mich ueber 
einen Anruf aus der Heimat sehr freuen (0081-22-272-9926)!
(die groesste Chance mich persoenlich zu erreichen, ist werktags zwischen
22 und 23 Uhr Ortszeit, das entspricht 14 bis 15 Uhr deutscher Zeit)
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   **                      Christian Kuehl                       **
   **   10-15-513 Sanjo-machi, Aoba-ku, Sendai-shi, 981, Japan   **
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Nachtrag zu JaIm4 (26.1.98):
Der momentane japanische Kaiser Akihito hat am 23. Dez. Geburtstag. Normalerweise nimmt er seinen Geburtstag zum Anlaß, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen und eine Rede zu halten. 1996 fiel diese Rede aufgrund der Geiselnahme in Peru aus.


Di, 7.1.97

JaIm5

Akemashite omedetou gozaimasu!
(Alles Gute zum neuen Jahr!)

Vorwort:
Die Sache mit der Schneeballschlacht war wohl 'nen Satz mit X. Die Ausrede lautete "Wir haben keine Handschuhe dabei!" Ich war anscheinend der einzige mit Handschuhen im Labor, da ich auch als einziger mit dem Fahrrad fahre.

Neujahrssonnenaufgang ueber dem Pazifik

Am Neujahrstag bin ich frueh morgens um 3 Uhr aufgestanden, mit dem Fahrrad zum Bahnhof und mit einem Sonderzug um 4:30 Uhr nach Matsushima (die Stadt an der Ostkueste mit den vielen kleinen Kieferninseln) gefahren. Der Zug war erstaunlich voll; ich habe auch zufaellig 6 Leute aus meinen Japanischkursen getroffen. Es gab also noch mehr Leute, die den Neujahrssonnenaufgang ueber dem Meer erleben wollten. In Matsushima angekommen, war noch alles friedlich: kaum Verkehr und leere Parkplaetze. Ich begann mit der Suche nach einem geeigneten Platz. So gegen 6 Uhr war ich dann mit meinem Standort auf einer der Inseln, die man ueber eine Bruecke erreichen kann, zufrieden und wartete mit der Kamera auf die Sonne.

Zum Glueck war zunehmender Mond, so dass das Licht gerade ausreichte, um nicht ueber jede zweite Wurzel zu stolpern. Es reichte ausserdem auch gerade so aus, um das erste Foto einer Serie zu schiessen (maximale Blendenoeffnung: 3,5; maximale automatische Belichtungszeit von 30 Sekunden mit einem 200 ASA-Film).

Ab 6:15 Uhr begann es langsam zu daemmern. Der Himmel war leicht bewoelkt. Aber von der Sonne war nichts zu sehen. Als ich die Insel betrat (ca. 5:30 Uhr) war ich fast allein (ich traf nur eine 4er Gruppe Japaner, die mich nach dem Ausgang fragte und ein Liebespaerchen, das ebenfalls auf die Sonne wartete). So gegen 6:40 Uhr rollte dann eine ganze Meute von Japanern an. Inzwischen war es hell genug, um alles zu sehen. Aber immer noch keine Sonne. Wir warteten gemeinsam. Der Himmel ueber dem Horizont war immer noch leicht diesig. Ich hoffte nur, dass die Sonne in der Blickrichtung meiner Kamera auftauchte (sonst waere die ganze Serie etwas witzlos geworden). Um eine Minute nach 7 Uhr (entspricht 23:00 Uhr am Sylvesterabend in Deutschland) ging ein Raunen und Gemurmel durch die Menge.

Und tatsaechlich... ...die Sonne.
Noch etwas blassroetlich schimmerten die Umrisse durch den leichten Nebel. Die Sonne war schon vollstaendig ueber dem Horizont. Sie haette sich kaum einen besseren Ort zum aufgehen aussuchen koennen (von meinem Standort aus gesehen): Genau ueber einem kleinen Tempel auf einer anderen Insel umrahmt von einem Kiefernwaeldchen. Langsam wurden die Konturen schaerfer. Dann leuchtete die Sonne in voller Groesse hellrot. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich im Wasser und bildeten einen roetlichen Teppich auf der Meeresoberflaeche ...
.... phantastisch!, einzigartig!, einfach genial!...

Allein fuer dieses Bild hatte sich das fruehe Aufstehen gelohnt! Gemaechlich stieg die Neujahrssonne hoeher. Die roetliche Faerbung wechselte allmaehlich in gelb und schliesslich in weiss ueber. Mit steigender Strahlungsintensitaet loeste sich auch der Nebel auf.

Ich hoffe natuerlich, dass die Fotoserie etwas geworden ist und wuerde sie dann auch einscannen und demnaechst auf meiner Homepage im Internet veroeffentlichen. Aber auch wenn die Fotos nichts geworden sind, werde ich diesen einmaligen Morgen nie vergessen!

73 chr

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Mo, 20.1.97

JaIm6

Leben in Sendai 1: Tagesablauf im Wintersemester 96/97

fuer alle die, die schon immer mal wissen wollten, was ich die ganze Zeit
hier in Japan so anstelle, habe ich versucht, einen typischen Tagesablauf 
darzustellen.  (z.B. donnerstags):

ca. 6:45 wache ich auf, kurz danach stehe ich auch auf (das ist die
     entscheidende Phase, die ueber die Produktivitaet des Tages
     entscheidet. Wenn ich nichts vorhabe, dann ist der "innere 
     Schweinehund" so stark, dass er mich nicht aus dem Bett laesst)
kurz vor 7:00 gehe ich zum Fruehstueck
7:00 aus den Lautsprechern auf der Strasse toent Musik (Zeit fuer
     die Schulkinder aufzustehen, ebenso um 17:00 bimmelt es zum 
     Arbeitsende)
7:10 im Fernsehen beginnt die "heute"-Sendung vom Vortag 19:00, d.h. 
     die Neuigkeiten aus Deutschland sind schon vier Stunden alt.
7:20 leider reicht es immer nur fuer die ersten Meldungen, denn um
7:30 beginnt das Aikido-Taining in der nahegelegenen Tohoku-Fukushi-Uni
8:40 bin ich wieder auf dem Heimweg
9:00 in aller Ruhe geniesse ich die Dusche 
9:15 erledige ich noch schnell die Hausaufgaben fuer den Kanjikurs, die
     eigentlich gestern abend schon fertig sein sollten.
10:10 schwinge ich mich auf´s Fahrrad und radle Richtung Kawa'uchi-Campus
10:30 Japanische Kultur: die einzige Vorlesung, die in Englisch und von 
      einem Englaender gehalten wird (eine Doppelstunde dauert 90 Minuten)
12:10 (meistens ueberzieht er) noch sind mir die Mensa-Schlangen zu lang,
      ich gehe daher noch ein wenig zum Zeitschriften-Blaettern in den 
      Schreibladen
12:30 jetzt kann ich direkt bis zur Essenstheke ohne Schlage durchgehen
13:00 die Mittagspause ist vorbei und der Kanji-(chinesische Schriftzeichen-)
      Kurs beginnt
14:30 kurze Pause
14:40 der japanische Grammatik-Kurs beginnt
16:10 auch jeder Grammatik-Kurs hat ein Ende und ich radle bzw. schiebe
      mein Fahrrad auf den Aobayama-Campus (auf'm Berg)
16:30 bin ich dann im Labor und schaue mich um, welchen Rechner ich 
      diesmal belagere.
18:30 gemeinsamer "Schmackofatz" mit den Labormitgliedern 
19:15 nach dem Essen werden die Karten fuer die Computer-Verteilung neu
      gemischt. Meistens sitze ich dann an einem anderen Rechner.
      Ich schreibe noch ein paar E-Mails und TALKe nach Deutschland
22:00 so langsam mache ich mich auf die Socken.
      Ich schmettere noch ein "O saki ni shitsurei shimasu" (uebersetzt:
      "ich bin unhoeflich und gehe vor Ihnen") in den Raum und verschwinde
22:05 fahre ich durch den Kawauchi-Campus (runter geht's wesentlich schneller)
22:25 bin ich wieder im Wohnheim und werfe noch einen Blick in die
      englischsprachige Japan Times
23:00 zu den Kanji-Hausaufgaben hat's wieder nicht gereicht.


Wochenplan:
- insgesamt habe ich 12 Doppelstunden pro Woche Vorlesung
- dadurch, dass ich den Kurs 'japanische Kultur' und den Kurs 'Grammatik 1' 
  noch zusaetzlich besuche, bin ich jeden Tag an der Uni
- montags und mittwochs beginnt der Unterricht zur ersten Stunde um 8:50
- 2 mal die Woche lasse ich mich an meinem Lehrstuhl blicken, um E-Mail
  zu schreiben und an meiner Homepage herumzubasteln.
- 1 mal die Woche treffe ich mich mit einem Japaner zum gemeinsamen
  Deutsch-/Japanischunterricht (er gibt mir eine Stunde Japanisch
  und ich ihm dafuer eine Stunde Deutsch)
- ebenso 1 mal die Woche gebe ich Englischunterricht (mein Englisch ist
  zwar nicht so beruehmt, aber doch noch ein Stueckchen besser als das
  des Japaners, so dass es fuer den Unterricht reicht), dafuer werde ich 
  dann zum Essen eingeladen.
- am Wochenende versuche ich etwas von der japanischen Welt zu sehen
  und mache Ausfluege in die Umgebung
- das Aikido-Training ist 5 mal die Woche, allerdings kann ich wegen der 
  Sprachkurse nur 3 mal teilnehmen. Samstags mache ich dafuer bis
  10:00 Training. Ab und zu beginnt das Training auch schon um 7:00, d.h
  ich muss um 6:15 aufstehen.
- nach mehreren vergeblichen Versuchen habe ich jetzt auch Kontakt zu
  den Amateurfunkern der Uni, die sich mehr oder weniger regelmaessig
  Donnerstag Abend auf dem Katahira-Campus treffen (der dritte grosse 
  Uni-Campus, ebenfalls etwa 20 Minuten vom Kawa'uchi-Campus entfernt, 
  allerdings in die entgegengesetzte Richtung wie Aobayama-Campus), 
  so dass sich ab dieser Woche wohl mein Wochenrhythmus ein wenig aendern 
  wird.

das war's erstmal...

73 chr

PS: auf meiner Homepage tut sich was...
(da der Scanner-Computer allerdings staendig besetzt ist, gibt es bis jetzt
erst ein neues Bild aus Japan)
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   **                      Christian Kuehl                       **
   **   10-15-513 Sanjo-machi, Aoba-ku, Sendai-shi, 981, Japan   **
   **     TEL: +81-22-272-9926  (ring, off, ring, ring, ...)     **
   **     FAX: +81-22-274-8009  ("C. Kuehl, Room 513")           **
   **   chris@sawaya.ecei.tohoku.ac.jp     chku@stud.uni-sb.de   **
   **     http://rice.sawaya.ecei.tohoku.ac.jp/~chris/           **
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Mo, 3.2.97

JaIm7

Vorwort 1:
Heute ist ein merkwuerdiges Fest an einem Schrein in der Naehe von unserem Wohnheim. Da werden Bohnen verteilt. Wenn man zu Hause ist, muss man die Bohnen aus der Haustuer werfen und dabei sagen, dass alle boesen Geister draussen bleiben sollen (natuerlich auf Japanisch, sonst verstehen das die einheimischen Geister nicht). Anschliessend geht man nach draussen, hebt die Bohne wieder auf und wirft sie ins Haus. Dabei ruft man, dass das Glueck hereinkommen soll. Das Ganze soll in einer halben Stunde losgehen. Aber hoechst wahrscheinlich ohne mich. Ich habe gerade muehsam mein Fahrrad den Berg hinaufgeschoben und werde - bei dem Schneechaos draussen - im Haus bleiben. Ueber Nacht gab es ca. 30 cm Neuschnee. Schneeraeumen auf den Strassen Sendais gibt es nicht. Heute morgen, im letzten Japanischkurs fuer dieses Semester, waren wir dann auch nur drei Leute von urspruenglich 30. Zur zweiten Stunde waren wir dann immerhin schon sieben.

Vorwort 2:
Die letzten 2 Tage war ich zum Skilaufen. (Mit dem Wetter hatten wir Glueck gehabt.) Mit einem deutschen Freund, seiner japanischen Freundin und noch 3 Japanern sind wir mit 2 Autos etwa eineinhalb Stunden bis zum naechsten Skigebiet gefahren. War zwar nicht gerade billig (4000 Yen = 60 DM allein an Autobahn- und Parkgebuehr pro Auto, 7200 Yen = 100 DM fuers Hotel mit Onsen (heisse Quelle) und noch einmal 4200 Yen = 60 DM fuer die Tages-Liftkarte), aber dafuer hat es riesig Spass gemacht. Zumal ich schon seit ueber 7 Jahre nicht mehr gefahren bin. Die Skier waren das einzig guenstige, denn die bekommen die Studenten hier kostenlos zur Verfuegung gestellt. Ich hatte Glueck, dass in meiner Schuhgroesse noch etwas da war. Und besonderes Glueck, da diese Groesse nur sehr selten genutzt wird. Deshalb waren meine Sachen noch nicht so "ausgenudelt".

Der Geschichte auf der Spur... Amateurfunk in Japan

Die letzten Wochen habe ich mich schwerpunktmaessig um Verbindung zu den hiesigen Amateurfunkern bemueht. Mit Erfolg. An der Tohoku-Universitaet gibt es viele Clubs, vor allem Sport-Clubs, aber auch den Amateurfunk-Club.

Mit dieser Uni habe ich persoenlich Glueck gehabt, denn hier wurde Geschichte geschrieben. Vor etwa 70 Jahren, genauer gesagt 1924 unterrichtete hier ein gewisser Professor Yagi... (ja genau: YAGI) An seinem Lehrstuhl wurde die - auf jedem Dach sichtbare (zumindest bevor es Kabel- und Satelliten-Fernsehen gab) - Yagiantenne (auch als "Rechen" bezeichnet) erfunden. Genauer gesagt heisst die Antenne YAGI-UDA-ANTENNE, denn es war der damalige Dr. Uda, der die ersten Untersuchungen zur Yagi-Uda-Antenne durchgefuehrt hatte. Wie mir die Amateurfunker erzaehlten, war diese Erfindung - wie so viele andere auch - ein Produkt des Zufalls. Allerdings muss es auch jemanden geben, der das Phaenomen genauer untersucht.

Bei den Untersuchungen der elektromagnetischen Ausstrahlung eines senkrechten Dipols stand zufaellig ein metallischer Staender im Raum (vielleicht ein Karten- oder Kleiderstaender). Die Messergebnisse zweier Versuchsreihen unterschieden sich doch recht erheblich, obwohl keinerlei Veraenderung am Messaufbau vorgenommen wurden. Der gute Dr. Uda fing schon an, an seinen Messgeraeten zu zweifeln. Irgendwann viel ihm jedoch auf, dass der metallische Staender eine andere Position hatte als bei der ersten Versuchsreihe. Die senkrechte Stange schien also die Abstrahlung bzw. den Empfang der elektromagnetischen Welle zu beeinflussen. Wie genau die Beeinflussung war, das mussten die folgenden Untersuchungen zeigen. Das war die Geburtsstunde der Yagi-Uda-Richtantenne.

Der Lehrstuhl, an dem ich jetzt bin, ist der Yagi-Lehrstuhl in der 3. Folgegeneration. Allerdings beschaeftigt sich der Lehrstuhl heute nicht mehr so sehr mit Yagi-Antennen. Was der jetzige Schwerpunkt ist, konnte ich noch nicht so genau herausfinden. Zu Ehren von Professor Yagi steht seine Bueste im Innenhof zwischen den Hoersaal-Gebaeuden. Ich bemuehe mich gerade, an die Orinaluntersuchungen der ersten Yagi-Antenne zu kommen, die gluecklicherweise in Englisch geschrieben sind. In einem Gebaeude auf einem anderen Campus steht in einer Vitrine eine der ersten Yagi-Antennen, an der Versuche vorgenommen wurden. Den japanischen Text, der dabei stand, konnte ich leider noch nicht vollstaendig lesen.

Der Amateurfunk-Club hat seine Club-Baracke (Baujahr wahrscheinlich kurz nach dem 2. Weltkrieg) auf einem Campus in der Stadt. Ich versuche, regelmaessig zu den woechentlichen Treffen zu gehen. Die Antennenanlagen dort sind traumhaft. Es gibt ein paar Bilder von den Antennen und den Geraetschaften auf der Homepage von JA7YAA (Clubstationsrufzeichen) http://www.ja7yaa.org.tohoku.ac.jp/index.html (Einen Querverweis dorthin gibt es auch von meiner Homepage in Japan.) Doch leider ist dort im Moment nicht viel Betrieb. Wie die Bezeichnung "Baracke" bereits andeuten sollte, ist der Komfort nicht besonders gross. Das Dach ist zwar dicht, aber die Fenster leider nicht. Es gibt nur einen Ofen dort, der den ganzen Raum heizen soll. Bis jetzt habe ich noch keinen Betrieb gemacht, ausser dass ich meine Packet-Radio-Adresse auf der naechstgelegenen BBS eingerichtet habe. Aber das kommt noch!

Mit meiner japanischen Lizenz, die ich 6 Wochen vor Abflug nach Japan beantragt und dann 5 Wochen nach Ankunft in Japan zugeschickt bekommen habe (Preis: ca. 150 DM) darf ich mit einer Ausgangssendeleistung von nur 50 Watt senden (gegenueber 1000 Watt in Deutschland). Wenn ich allerdings das Clubstation-Rufzeichen von JA7YAA verwende, darf ich mit 500 Watt arbeiten. Die Amateurfunker haben mir schon viele QSL-Karten gezeigt, darunter waren auch einige von Deutschland. Es ist also moeglich auch im Phoniebetrieb nach Deutschland zu kommen. Wenn's also etwas waermer wird, werde ich versuchen, ueber die kurze Welle nach Deutschland zu kommen. Wegen der Zeitverschiebung ist es wohl am guenstigsten am Wochenende. Ich werde es dann auf der Saarland-Urlaubsfrequenz 14.277 kHz versuchen. Wenn ich einen genaueren Termin weiss, melde ich mich noch einmal. Der Vorteil der japanischen Lizenz ist der, dass ich jetzt auch im 6-Meter-Band bei 52 MHz senden darf, ohne das - wie in Deutschland - extra beantragen zu muessen! - Also DIE Gelegenheit, auf diesem "exotischen" Band QSL-Karten zu sammeln!

Um alle Nicht-Amateurfunker unter den JaIm-Lesern nicht noch laenger zu langweilen und weil ich gleich zu meinem Kalligraphie-Kurs gehe und vorher noch meinen Magen etwas fuellen will, mache ich an dieser Stelle erst mal Schluss und verschwinde fuer gut eine Woche von der E-Mail-Flaeche.

Zusammen mit Michael und noch 13 anderen Austauschstudenten besichtigen wir 3 Tage lang Yokohama und Kamakura (suedlich von Tokyo). Anschliessend fahre ich mit Michael zusammen zum Schneefestival nach Sapporo auf Hokkaido fuer 5 Tage (ich hoffe nur, dass unsere Jugendherbergsreservierung geklappt hat, oder besser gesagt, hoffe ich, dass sich Michael verstaendlich genug am Telefon ausdruecken konnte). Wenn alles gut geht, bin ich Ende naechster Woche wieder da.

73 chr
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Fuer alle Amateurfunker:
 Ich bin jetzt auch per Packet-Radio erreichbar.
 Ueber die Mail-Laufzeiten kann ich aber noch nichts sagen.
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   **                      Christian Kuehl                       **
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Mi, 5.3.97

JaIm8

Vorwort:
Und...? Schon nasse Fuesse? Aber ich denke, der Spuk ist schon wieder vorbei. Letzten Donnertag (27.2.97) gab's in den Nachrichten einige Bilder vom "linken Nebenfluss der Saar mit 13 Buchstaben".

Hokkaido

Sapporo ist anders!

Das erste, was mir in Sapporo angenehm aufgefallen ist, war, dass es auf dem Bahnhof und in jeder U-Bahn-Station mehr als einen Muelleimer gibt. Fuer Leute, die Sendai nicht kennen, ist das keine umwerfende Erkenntnis. Mir ist immer noch nicht ganz klar, und bis jetzt konnte mir auch noch keiner erklaeren, warum es in der Fussgaengerzone von Sendai praktisch keine Muelleimer gibt. Das wuerde doch Arbeitsplaetze schaffen fuer Muellmaenner. Sonst sind doch an einer Strassenbaustelle mehr Leute damit beschaeftigt, den Verkehr zu regeln, als Leute, die auf der Baustelle arbeiten, aber an Muelleimern sparen sie.

Es gibt eine Verkehrsverbund-Karte! Sapporo besitzt ein gutes U-Bahnnetz, das den Innenstadtbereich zum groessten Teil abdeckt. Die aeusseren Bezirke sind mit dem Bus an die U-Bahn angeschlossen. Und das dolle ist, dass man mit der U-Bahn-Karte Bus fahren kann, wenn man vorher nur 100 Yen (ca. 1,40 DM) mehr bezahlt hat. In Sendai verliert das Bus- oder U-Bahn-Ticket seine Gueltigkeit, sobald man das Verkehrsmittel verlaesst. Man kann noch nicht mal von Bus zu Bus umsteigen. So kostet auch eine Fahrt von meinem Wohnheim zur Uni doppelt, da man in der Stadt umsteigen muss.

Ausserdem gibt es eine Tageskarte fuer Touristen!

Interessanterweise faehrt die U-Bahn in Sapporo nicht auf Eisenraedern sondern auf Gummireifen, was die Fahrt ruhiger macht.

Die Ampeln in Sapporo stehen zum Teil senkrecht, wie in Deutschland.

In Sapporo gibt es Schneeraeumfahrzeuge! In Sendai gibt es dafuer festgefahrene Schnee- und Eisdecken bzw. spaeter jede Menge Sauerei und Schneematsch.

Das Beste an Sapporo ist, dass es eine der wenigen japanischen Staedte ist, in der man mit Hilfe der Adresse ein Haus finden kann! Dazu muss man wissen, dass eine "normale" japanische Stadt in Stadtteile und dann in Wohnblocks eingeteilt ist. Die Hausnummern werden anscheinend willkuerlich vergeben. Wenn Haus Nummer 14 an einem Ende des Wohnblocks liegt, passiert es nicht selten, dass 15 am anderen Ende liegt. Wahrscheinlich werden die Nummern nach dem Datum des Hausbaus vergeben. Nur der Brieftraeger kennt sich in seinem Gebiet aus. (Ich moechte keiner in Japan sein.)

In der Naehe von unserer Jugendherberge gab es einen "Spar-Markt" die Schrift sieht genauso aus, wie bei der Spar-Kette im guten alten Deutschland. Der einzige Unterschied ist das Sortiment und die Tatsache, dass der Laden 24 Stunden am Tag offen hat!

Das Beste an Sehenswuerdigkeiten waren natuerlich die riesigen Monumente aus Eis und Schnee. Demnaechst gibt's hoffentlich Bilder auf meiner Homepage. (Inzwischen ist der Scanner wieder verschwunden.) Der botanische Garten, mindestens ein Museum und der Clock-Tower waren geschlossen. Die Sapporo-Brauerei kann ich nur empfehlen. Nach einem kurzen Rundgang wird man zu einer kleinen Bierprobe mit Schleckereien eingeladen (kost' nix!).

Bevor wir mit der Faehre wieder von Tomakomai zurueck nach Sendai fuhren, haben wir noch einen Abstecher nach Noboribetsu eingeschoben. (Ein Tip von zwei deutschen Maedels, die wir in der Jugendherberge in Sapporo getroffen hatten.) Und es hat sich gelohnt, aber den Preis verrate ich besser nicht.
Noboribetsu ist bekannt fuer die vielen Onsen (heisse Quellen). Das Bad, in dem wir waren, gehoert zu einem Luxushotel. Allein auf der oberen Etage gibt es mehr als acht verschiedene Wasserbecken, die unterschiedlichen Mineralien enthalten. Nicht einfach rechteckige Becken, sondern jedes hat eine andere Form und auch andere Kachel-Farbe. Ein Becken, das mit dem heissesten Wasser, war aus reinem Holz. Heisses Wasser kann ich eigentlich ganz gut ab, aber das war doch ein bissel stramm, um nicht zu sagen prall! Ich sagte mir dann, es reicht ja, wenn man sich die Fuesse verbrennt, man muss sich ja nicht in jeden Onsen hineinsetzen.
Im Untergeschoss gibt es dann die Wasserstrahlmassage: herrlich! Aus etwa vier Metern Hoehe faellt ein Wasserstrahl herab. Man setzt sich auf einen Granitstein direkt darunter und kann sich selbst massieren (lassen), je nachdem, wie man den Oberkoerper dreht. Dann gibt es die beiden Tretbahnen. In der inneren Spur fliesst heisses Wasser und in der aeusseren kaltes mit wechselnder Wassertiefe (Onkel Kneipp laesst schoen gruessen). Sauna und Dampfbad sollte ich auch nicht vergessen zu erwaehnen. Dann gibt es noch den kleinen Whirl-Pool und die Kroenung ist der "Rondenburo", sprich das Bad draussen unter freiem Himmel. Es lag noch genuegend Schnee, um sich gegenseitig etwas Abkuehlung in Form von kleinen weissen Baellchen zu verschaffen.

Die Rueckfahrt auf der Faehre war lustig: mehr Seegang als auf der Hinfahrt und jede Menge Platz.

So, dafuer, dass ich so lange nichts mehr von mir hoeren liess, verabschiede ich mich auch schon wieder von der Bildflaeche.

Naechste Woche gehe ich wieder auf Reisen. Naechste Woche Dienstag ist in der Nachbarpraefektur Yamagata ein spezielles Aikido-Training von unserem Lehrer, 3 Tage lang. Dummerweise ueberschneidet sich das mit der Abschiedsfeier der 4-jaehrigen von meinem E-Technik-Labor, so dass ich wohl nur eine Nacht in Yamagata verbringen werde, dann schnell zurueck nach Sendai fahre (ca. 1,5 Stunden mit dem Zug), und nachmittags mit den Labor-Leuten nach Akiu-Onsen mit dem Auto fahre, um dort eine Nacht zu bleiben.

Donnerstag Abend ist dann das uebliche Amateurfunktreffen (wieder in Sendai). Den Freitag bin ich wohl komplett in Sendai. Samstag (15.3.) bin ich dann schon wieder auf Achse. Diesmal nach Tokyo fuer 2 Naechte. Zu Martin, mit dem ich vor 4 Jahren auf Shikoku war.

Am Montag morgen um 6:30 sollte ich dann schon auf dem Flugplatz sein, denn um 8:50 geht mein Flieger nach Hong Kong. (Jetzt scheint hoffentlich alles mit Hong Kong klar zu gehen. Die Buchung war ein ziemlicher Stress im Studenten-Reisebuero. Insgesamt habe ich dort ueber 4 Stunden verbracht. Die haben das komplizierter gemacht, als es in Wirklichkeit war. Die Kroenung war das FAX, das ich gestern bekam. Da stand drin, was sowieso schon klar war. Aber die Geschichte ist zu komplex...)

Wenn ich dann eine Woche spaeter aus Hong Kong zurueckkomme, ist meine Mutter schon etwa 3 Stunden vor mir in Tokyo. Dummerweise nur auf einem Flughafen am anderen Ende von Tokyo (75 Minuten mit dem Expressbus). Das wird noch spannend... Aber ich versuche, da einen Abholservice zu organisieren. Das ist der Start fuer die zweiwoechige Mittel-Japan-Rundreise.

Ich denke, dass ich Anfang April wieder per E-Mail erreichbar bin.

73 chr
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Meine Homepage hat die Sprache gewechselt.

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   **                      Christian Kuehl                       **
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Mo, 21.4.97

JaIm9

Leben in Sendai 2: Preise

etwas zu den Preisen in Japan:

Menge   Produkt                         Preis Japan    Pr. D   Faktor
                                        [Yen]  [DM]    [DM]    [1]
1 l     Frischmilch (3,5% Fett)          200 = 2,80    1,30    2
100 g   Schokolade (z.B.: Ritter-Sport)  180 = 2,50    1,--    2,5
200 g   Suessrahm-Butter                 350 = 5,--    2,--    2,5
200 g   Kaese (Gouda)                    350 = 5,--    2,50    2
400 g   Graubrot                         400 = 5,70    1,50    3
0,3 l   Bier (Supermarkt)                200 = 2,80    0,70    4
1 Fl.   Nuernberger Christ. Gluehwein   1000 = 14,-    1,40    10 !!
    

Dazu einige Anmerkungen:
Graubrot gibt es praktisch nur in einem Geschaeft: Hiratsuka. Der Kuechenchef von dieser Baeckerei ist ein Daene. Weissbrot gibt es ueberall. Ob es den Namen WeissBROT verdient ist allerdings fraglich. Ich wuerde es eher als "Luftbrot" bezeichnen. Es wiegt praktisch nichts und laesst sich mit der Hand auf Keksgroesse zusammendruecken.

In Japan gibt es kein Ladenschlussgesetz; alles regelt sich von selbst. Die grossen Kaufhaeuser haben taeglich bis 21:00 Uhr auf und einmal in der Woche (nicht sonntags) geschlossen. Sonntags ist hier der Haupteinkaufstag. Ausserdem gibt es die praktischen 24-Stunden-Geschaefte Seven-Eleven, Sunkus, Lawson, Family-Mart, usw., bei denen man auch noch nachts um 1 Uhr "Labber-Weissbrot" fuers Fruehstueck kaufen kann.

Nun zu der Frage:     Was ist denn billig in Japan?
Antwort:              Gute Frage!
Nachtrag zur Antwort: Gebrauchte Sachen, Sperrmuell, Fotoentwicklung,
		      Mehrwertsteuer und der 100-Yen-Shop
    

Gebrauchte Sachen
Eigentlich ist es voellig untypisch fuer Japaner etwas Gebrauchtes zu kaufen. Es scheint die Devise zu gelten: "Lieber wegwerfen als reparieren oder weiterverkaufen". Jedoch gibt es Ausnahmen: z.B. getragene, zerrissene Jeans fuer 50 DM pro Stueck (kein Witz!) und gebrauchte CDs. In Sendai gibt es zahlreiche Gebraucht-CD-Laeden, in denen man nur 500-1000 Yen pro CD hinlegen muss. Bis jetzt war noch keine dabei, die defekt war. Ausserdem gibt es zweimal im Jahr jeweils zum Semesterbeginn sogenannte Bazare, die von Freiwilligen-Gruppen organisiert werden und vor allem Haushaltswaren und Klamotten zum Spottpreis verkaufen.

Sperrmuell
Man kann sich aus dem Abfall der Japaner eine Wohnung komplett einrichten - zum Nulltarif. Die Sachen, die man am Strassenrand findet, sind groesstenteils noch voll funktionstuechtig. So bin ich auch zu meinem Fernseh-Radio-Kassetten-Recorder mit Zweikanalton gekommen. Nachdem ich das Geraet geoeffnet hatte, die Antennen wieder festgeschraubt und die verschmierte Plastikabdeckung vor der Mattscheibe gesaeubert hatte, war das Geraet bis auf kleinere Schoenheitsfehler wie neu. Mit einem selbstgebastelten Antennenkabel fuer den Dachantennenanschluss bekomme ich jetzt sogar mehr Programme, als mit dem Gemeinschaftsfernseher im Aufenthaltsraum.

Fotoentwicklung
Beim Gemuesefritzen um die Ecke gebe ich meine vollen Filme ab. Fuer die Entwicklung inklusive Abzuege der Groesse 9x13cm (und zusaetzlich noch einmal als kleine Bildchen (ca. 3x4cm)) zahle ich pauschal 550 Yen plus 5% Mehrwertsteuer. Dabei ist es egal, ob man einen 12er, 24er oder 36er Film abgibt. Da ich immer 36er-Filme abgebe, komme ich somit auf ca. 22 Pfennig pro Bild (mit Entwicklung!).

Mehrwertsteuer
Dafuer kann man sich zwar nichts kaufen, aber trotzdem ist sie gering. Seit 1. April diesen Jahres ist die Mehrwertsteuer von 3 auf 5 % erhoeht worden (das ist eine Steigerung um 67%!).

100-Yen-Shop
Seit 1. April muessten sie eigentlich 105-Yen-Shops heissen. Hier gibt es alles fuer 105 Yen. Der Grossteil ist zwar nutzloses Zeug, trotzdem gehe ich bestimmt einmal pro Woche dort vorbei.

73 chr
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   **                      Christian KUEHL                       **
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Do, 29.5.97

JaIm10

Vorwort 1:
Da hat man sich so beeilt, puenktlich zur Elektrotechnik (ET)-Vorlesung zu kommen, um dann festzustellen, dass sie ausfaellt. Der Assistent vom Lehrstuhl ist vorhin mit mir zum schwarzen Brett gelaufen und hat mir den entsprechenden Zettel gezeigt, auf dem steht, dass heute die entsprechende Vorlesung ausfaellt. Der hing schon seit 6 Tagen da, nur leider in Japanisch. Wenn ich jedes mal alle Aushaenge da unten lesen wuerde, kaeme ich zu nichts anderem mehr.

Vorwort 2: Nachtrag zu Weihnachten '96 auf Japanisch
Michael und ich waren fuer 2 Tage zu den Eltern von einem japanischen Freund, der letztes Jahr als Austauschstudent in Saarbruecken war, nach Kesennuma eingeladen. Kesennuma liegt etwa 200 km entfernt von Sendai im Norden unserer Miyagi-Praefektur. Mit dem Auto brauchten wir fuer den Hinweg mit einem Zwischenstopp etwa 4 Stunden, da wir die teure Autobahn meiden wollten.
Nach einem kleinen Spaziergang mit den beiden Hunden der Familie wartete ein japanisches Abendessen auf uns. Eine grosse Schale voll mit frischen Sushi. Den Ika (Tintenfisch) und die Muscheln habe ich den anderen ueberlassen. Dazu gab es noch Sukiyaki und jede Menge Beilagen. Es war genuegend fuer alle da. Den Abend haben wir dann mit Bier und Sake ausklingen lassen.
Am naechsten Morgen sind die ganze Familie und wir recht frueh um 6:30 aufgestanden, um zum Fischmarkt an den Hafen zu fahren. Ordentlich aufgereiht lagen dort Thun- und andere Fische nebeneinander. Die Rueckfahrt dauerte nur 3 Stunden, da wir auch eine kuerzere Strecke gefunden hatten. So kam ich dann auch noch rechtzeitig zum "Bonenkai" (Jahr-Vergessen-Party) von meinem ET-Labor.

So etwas mit Tannenbaum und Lieder singen gibt es hier nicht.

Ostern und Pfingsten gehen an den Japanern ebenfalls spurlos vorbei.

Erdbeben

Das erste Erdbeben, das ich waehrend meines diesmaligen Aufenthaltes in Japan erlebt habe, war kurz vor Weihnachten '96 an einem Sonntag. Ich sass gerade alleine beim Fruehstueck und schaute Fernsehen. Die deutschen Nachrichten vom Vortag waren gerade vorbei. Nun kamen die japanischen live aus einem Studio in Tokyo. Ploetzlich hoerte der Nachrichtensprecher auf zu sprechen und schaute seine Kollegin an. Das Fernsehbild wackelte leicht. Die Studiokamera schwenkte nach oben in die Scheinwerfer. Hier sah man deutlich, dass sich die Lampen bewegten. So besonders stark war das Beben nicht, als dass man dafuer mehr als 30 Sekunden Nachrichtensendezeit opfern muesste. Also ging es nach Plan weiter. Etwa 10 bis 20 Sekunden nach der Unterbrechung in Tokyo begann sich unser Wohnheim ganz leicht zu bewegen. Haette ich nicht gerade ruhig gesessen, sondern waere herumgelaufen, dann haette ich es wohl gar nicht bemerkt. Da die Erschuetterung zuerst das Nachrichtenstudio in Tokyo erreichte und danach erst unser Wohnheim in Sendai, muesste das Epizentrum auch naeher an Tokyo gelegen haben. Und so war es dann auch. Am darauffolgenden Tag wurde in den Nachrichten von einem Beben der Staerke 4 auf der deutschen Richterskala etwas noerdlich von Tokyo berichtet. Die deutsche Familie hier in Sendai berichtete mir spaeter, dass ihre Wohnung in einer Altbauwohnung im 4. Stock in der Naehe von der Uni recht stark gewackelt hat und die Kinder Angst bekommen hatten. Da unser Wohnheim erst etwa 4 Jahre alt ist, schliesse ich daraus, dass sich die Architekten etwas haben einfallen lassen. Michael z.B. war an diesem Sonntagvormittag zu der Zeit noch in seinem Zimmer und hatte nichts mitbekommen.

Das 2. Erdbeben war am 20. Februar diesen Jahres, morgens um 5:22. Das Epizentrum mit der Staerke 5,7 auf der deutschen Richterskala lag in Fukushima, unserer Nachbarpraefektur im Sueden. Die Entfernung war diesmal nur ca. 100 km, also naeher als beim ersten Mal, und auch die Auswirkungen in Sendai waren staerker zu spueren. Michael berichtete, er sei davon aufgewacht. Der deutschen Familie in der Altbauwohnung wurde es unheimlich, da die wackeligen Schiebefenster anfingen, wild zu klappern. Ich hab's verpennt und habe erst mittags davon erfahren (bei dem Erdbeben vor 3 oder 4 Jahren an der hollaendischen Grenze, dessen Auslaeufer bis Saarbruecken reichten, bin ich damals aufgewacht), aber diesmal hatte ich fest geschlafen. Es lag vielleicht auch daran, dass wir am Vorabend auf einer feucht-froehlichen Nachfeier von unserer Yokohama/Kamakura-Reise waren.
Beim Aufstehen an jenem Morgen war mir auch nichts Besonderes aufgefallen. Alles war noch an seinem urspruenglichen Platz, sogar die Sakeflasche, die freistehend auf der Gardinenstange stand und auch mein Fernseh-Radio-Kassetten-Recorder stand noch auf dem leeren Sakeflaschen-Geschenkkarton. Am gleichen Tag gab es am Nachmittag noch ein Nachbeben, aber davon haben weder die deutsche Familie noch Michael noch ich etwas mitbekommen.

Das naechste Beben war am Montag, 28.4.97 abends um 20:07. Ich war gerade in meinem Zimmer im Wohnheim beim Lernen, da gab es einen kurzen kraeftigen Ruck und das war es dann auch schon gewesen. Ein recht seltsames Beben. Ich wollte sowieso gerade die deutsche Familie anrufen und tat es dann auch. Die Mutter dachte erst, ihr Sohn waere gegen die Schiebetuer gerannt, weil es dann genauso klingt. Aber das haette keine so grossen Auswirkungen bis zu unserem Wohnheim gehabt. Ich hatte dann gleich mal beim Fernseher den Lokalsender eingeschaltet und gewartet. 3 Minuten nach dem Erdbeben wurde auch schon eine Meldung ins laufende Programm eingeblendet, dass ein Erdbeben in der Naehe von Fukushima war. Die Staerke in Sendai war immerhin noch 2 auf der Richterskala.

Als ich in Hongkong war, soll es in Sendai auch einmal gebebt haben.

Am Montag, 12.5.97, als ich noch in Nikko war, hatte es ebenfalls in Sendai gebebt. (Wenn man mal nicht da ist...)

Vielleicht kam etwas in den Nachrichten in Deutschland von einem anderen Beben. Und zwar am Dienstag, 13.5.97, ganz im Sueden von Japan auf der Insel Kyuushuu: Staerke ueber 6. Am naechsten Tag hatte ich ein paar Bilder in den Nachrichten gesehen. Ein paar Haeuser hatte es schon gekostet. Im Moment scheint's hier an allen Ecken zu rappeln. Letzte Woche waren wir bei der deutschen Familie, die meinten, vor dem grossen Kobe-Erdbeben hat es ueberall in Japan 'nen bissle gewackelt und danach war fuer ueber ein Jahr Ruhe gewesen (andere behaupteten, das stimme nicht).

Was nun draus wird, weiss keiner. Also mach' ich mir mal nicht ins Hemd und warte ab bzw. lerne fleissig weiter, denn es gibt ja noch genug Japanisch zu lernen.

73 und noch eine ruhige Woche 
    chr
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Mo, 16.6.97

JaIm11

Vorwort:
Ich mag die japanische Regenzeit. Seit einer Woche (Mo, 9.6.97) hat offiziell die japanische Regenzeit begonnen. Seit dem haben wir tolles Wetter: noch nicht zu heiss und kein Regen. Vorher hatte es tagelang geregnet, aber puenktlich zum Beginn der Regenzeit ging der Regen aus. Aber keine Sorge, das naechste Tiefdruckgebiet wird die Sache schon wieder richten.

Einladung beim Kaiser

Was muss man alles als Gaijin (Auslaender) in Japan gemacht haben?

Mit den letzten 2 Punkten ist mir Michael etwas voraus.

Normalerweise zeigt sich der japanische Kaiser nur 2-mal im Jahr der Oeffentlichkeit: Zum einen an seinem Geburtstag (am 23.12.) und zum anderen am Neujahrstag. Das Wochenende vom 17./18.5.97 kam er in unsere Praefektur, um Baeumchen zu pflanzen. Die Vorbereitungen fuer dieses Ereignis liefen schon seit ueber einem Jahr. Extra fuer den eineinhalbstuendigen Kaiseraufenthalt wurde eine Freilichtbuehne mit 12.000 Zuschauersitzplaetzen, ca. 200 ueberdachten Ehrengastsitzplaetzen und 5 Plaetzen fuer die kaiserliche Familie aufgebaut.

Anlass des Festes war der Tag des Baumes. Letztes Jahr im November und dieses Jahr im April bin ich mit Michael und ca. 100 anderen Auslaendern und Japanern aus unserer Miyagi-Praefektur mit dem Bus eine Stunde lang Richtung Sueden zum Berg ZAO gefahren, um dort einen kahlgeschlagenen Hang wiederaufzuforsten. Jeder durfte ein Baeumchen pflanzen. Anschliessend gab es jedesmal ein Grillfest, um mit den Japanern ein wenig ins Gespraech zu kommen. Danach noch eine kurze Besichtigung einer Sehenswuerdigkeit in der Umgebung, bevor es wieder zurueck nach Sendai ging. Alles war jedesmal bestens organisiert gewesen (angefangen von den weissen Handschuhen, die jeder zum Baeumchen pflanzen bekam, bis hin zur Unterhaltungsdame im Bus) und bis auf 5 Minuten genau geplant.

Am Sonntag, dem 18.5.97, war nun der Hoehepunkt der ganzen Organisation. Es gab dementsprechend auch einen Zeitplan mit Minutenangabe (Ankunft des Kaisers und seiner Frau: 10:14, Abfahrt: 11:37, wobei es 3 Minuten Verzoegerung gab). In diesen 83 Minuten durfte keiner der Zuschauer seinen Platz verlassen. Jeder hatte als "Ausweis" ein Namensschild und eine Schirmmuetze bekommen. Deren Farbe signalisierte die Gruppenzugehoerigkeit. Wir Auslaender hatten orangene Capies. Die meisten Japaner gelb, die Pfadfinder gruen und die Ordnungsleute weiss. Im Vergleich zu dem riesigen Aufwand fand ich die "Durchsuchung" vor Betreten des Gelaendes doch eher oberflaechlich. Jeder sollte seine Mitbringsel in einer durchsichtigen Plastiktuete bei sich tragen. Abgetastet wurde - soweit ich das gesehen habe - keiner. Fehlte eigentlich nur noch die hoefliche Frage, ob man nicht irgendwelchen Sprengstoff dabei haette. Bereits am Samstag, auf dem Weg zur Generalprobe, fuhr unser Bus durch die benachbarte Stadt. Dort standen etwa alle 50 Meter ein Polizist an der Strasse und an jeder Kreuzung mindestens 3. Sonst schien die Stadt menschenleer zu sein (Ausgangssperre?). Unser Hotel, in dem wir die Nacht von Samstag auf Sonntag verbrachten, lag in einem kleineren Ort etwas ausserhalb.

Die Praefektur hatte sich nicht lumpen lassen! Jeder Auslaender bekam ausser der Hoteluebernachtung mit Verpflegung und der Busfahrt noch eine Tragetuete mit Geschenken: ein kleines Baeumchen fuer zu Hause, ein Regencape fuer alle Faelle (hatte ich dort nicht gebraucht, da es einen strahlend blauen Himmel gab und ich mir den ersten Sonnenbrand des Jahres geholt hatte, aber jetzt, wo die Regenzeit beginnt, kommt es genau richtig als Regencape fuers Fahrrad, haette allerdings eine Nummer groesser sein duerfen), einen kleinen Rucksack, zwei Andenken-Telefonkarten von diesem Ereignis, ein Holzkaestchen, jede Menge Prospekte und eine Windjacke. Die Ueberreichung der Windjacke von einer Freiwilligengruppe an uns war ein eigener Programmpunkt der Veranstaltung. (Bei der Windjacke gab es wahrscheinlich nur eine Einheitsgroesse. Ich wollte nicht unhoeflich sein und nach XXL fragen, so habe ich die Jacke meinem Besuch aus Deutschland weitergeschenkt, inklusive des dazu passenden Rucksacks.)

Michael hatte seinen Auftritt (die eingangs erwaehnte Rede vor der japanischen Nation) kurz nach 11:00. Da sein Studienfach (Biogeographie) besser zum Tag des Baumes passte als meins, wurde er und noch eine Studentin aus Nepal ausgewaehlt, um eine etwa einminuetige Rede auf Japanisch zu halten. Kurz vor Abfahrt der Staatskarosse hatten Michael und die Nepalesin noch die Gelegenheit zu einem kleinen Smalltalk mit dem Kaiserpaar.

Ein weiterer Programmpunkt der Auslaender war, nach ein paar einfuehrenden Worten auf Kommando "EARTH GREEN" zu bruellen. Bei der Probe am Vortag hatte es wohl einer nicht richtig verstanden, und meinte "ICE CREME" passe besser (hoert sich ja auch taeuschend aehnlich an). Aber am Sonntag haben sich die meisten doch zusammengerissen und brav ihr "earth green" gerufen.

Von den musikalischen Showeinlagen hat mir am besten die TAIKO (japanische Trommel)-Gruppe im Vorprogramm gefallen. Wenn es in der naeheren Umgebung eine Taiko-Schule gibt, wuerde ich noch in den verbleibenden 2 Monaten versuchen, wenigstens die Grundlagen auf die Reihe zu bekommen.

73 chr
--
PS: Jetzt gibt es endlich die ersten Kanjis (als GIF) auf meiner Homepage.
    Ausserdem noch 2 Bilder aus Sapporo und fuer die Esperantisten ein 
    bissle Grammatik.

  Christian KUEHL
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Fr, 1.8.97

JaIm12

Vorwort 1:
Seit dem 20. Juli ist offiziell die japanische Regenzeit vorbei. (Sie dauerte etwa einen Monat.) Seitdem ist es heiss.
Nicht nur in Frankfurt an der Oder gibt's Hochwasser, auch Japan kann da mithalten. TAIFUN Nr. 9 macht's moeglich. In einigen Orten in Suedjapan gab's innerhalb von Stunden wieder Niederschlaege mit ueber 600 mm. Wenn ich mich recht erinnere, kommt so viel Regen auch in Saarbruecken herunter, allerdings nicht innerhalb von Stunden, sondern ueber's ganze Jahr verteilt. Im Fernsehen brachte der nationale Rundfunk stundenlang Live-Berichte aus den betroffenen Gebieten. Jetzt ist der Taifun nach Westen Richtung Korea abgedreht und wird schwaecher.
Dieses Jahr kommen die Taifune, die direkt ueber Japan gehen, ungewoehnlich frueh. Taifun Nr. 9 ist bereits der dritte, der uebers Land zog. Ausserdem brachte er fuer die Kuestenregionen bis zu 8 Meter hohe Wellen. (Bilder davon gab's sogar in den ZDF-Nachrichten am letzten Sonntag morgen). Die Auslaeufer des Taifuns reichten bis nach Sendai (Entfernung 600 km). Wir hatten etwas staerkeren Wind, aber nur wenig Regen.

Vorwort 2:
WAHLEN sind in Japan etwas fuer Leute mit guten Nerven. Zur Zeit ist gerade Buergermeisterwahl von Sendai. In Japan bedeutet das, dass bis spaet abends "Werbemobile" mit grossen Lautsprechern durch die Strassen von Sendai fahren und lautstark die Werbetrommel fuer ihren Kandidaten ruehren. Sogar (oder gerade) vor Wohngebieten schrecken sie nicht zurueck. Aber gegenueber der Parlamentswahl im letzten Jahr ist diese Buergermeisterwahl noch harmlos, da es nur zwei Kandidaten gibt.

Leben in Sendai 3: Mein Tagesablauf im Sommersemester 97

(vergl. JaIm6 vom Januar 97 vom Wintersemester 96/97)

dienstags
  5:30          aufwachen, kurz danach aufstehen
  6:00 -  6:40  Zazen im Shuurinji-Tempel
  7:00          Fruehstueck mit ZDF-Nachrichten vom Vortag
  7:30 - 10:00  Aikido-Training an der Fukushi-Uni
 10:30 - 12:00  Japan Times lesen, Hausaufgaben, Vorbereitung
 12:30          Mensa
 13:00 - 14:30  Kanji 2 Kurs
 14:30 - 15:30  E-Mail in Bibliothek
 16:00 - 18:00  Dt./Jap.-Privatstunde
 19:00 - 21:00  Taiko-Training
 21:30 - 23:00  Go-Spiel mit Michael

Wie gut, dass Zazen und das Aikido-Training morgens stattfinden, denn sonst
bekaeme ich nicht meine ganzen Nebenaktivitaeten in einer Woche unter.
Nur um die Leute zu beruhigen: ich stehe nicht jeden Tag so frueh auf.
Meistens lasse ich Zazen aus, stehe erst kurz vor 7:00 auf und gehe 
direkt zum Aikido-Training.
Ansonsten sieht meine Woche folgendermassen aus:

Wochenplan (SS 97):
- insgesamt verbringe ich 10 Doppelstunden pro Woche an der Uni
  (9 fuer SPRACHKURSE, 1 fuer Vorlesung ueber elektromagnetische Wellen)
- 2 mal die Woche lasse ich mich an meinem LEHRSTUHL blicken, um E-Mail
  zu schreiben und um an meiner Homepage herumzubasteln.
- das AIKIDO-Training ist 5-mal die Woche, allerdings kann ich wegen der 
  Sprachkurse nur 3-mal teilnehmen. 
- ZAZEN versuche ich wenigstens einmal die Woche zu machen. In einem 
  anderen Tempel war ich auch 2-mal Samstag Abend zum meditieren, aber
  90 Minuten sind schon ganz schoen hart fuer meine unflexiblen
  Europaeer-Beine
- mein PRIVATER DeuTsch-/JAPanischunterricht hat sich um das 3-fache
  gesteigert (inzwischen sind es also drei Japaner, allerdings sind jetzt
  zwei von denen schon vor mir in Deutschland)
- ein- bis zweimal die Woche abends gehe ich jetzt zum TAIKO-Training. 
  "Taiko" heissen die grossen japanischen Trommeln.
- das AMATEURFUNKertreffen ist Donnerstag Abend
- der ESPERANTO-Club trifft sich Freitag Abend (nach 2 Abenden Esperanto-
  Auffrischung hatte ich ein besseres Gefuehl, mit der Sprache klar zu
  kommen, als nach zwei Monaten Japanaufenthalt mit Japanisch)
- die Wochenenden versuche ich, mir nach wie vor fuer Ausfluege inner-
  oder ausserhalb der Praefektur freizuhalten.
    

Nachwort: Abschied
So langsam wird es Zeit fuer mich, Abschied zu nehmen von Japan. Im Moment faellt es mir sehr schwer, mich zu trennen, da ich mich doch recht gut eingelebt habe und jetzt nach den ganzen Sprachkursen und den privaten Unterrichtsstunden gerade anfange, ein wenig mehr zu verstehen. Wenn ich nach Deutschland zurueckkomme, werde ich so einiges hier vertraute vermissen. Kein Sashimi (zu bezahlbaren Preisen), keine japanischen Gaerten, kein Taiko, kein woechentliches Go-Spiel im Fernsehen, kein Sumo, keine Onsen (heisse Quellen).

Ich weiss nicht, ob ich noch Zeit fuer eine weitere JAIM finden werde, da ich Ende der Woche noch einmal nach Hokkaido fahren werde, um auf dem Weg dorthin ein Festival in Aomori mitzuerleben und noch ein wenig mehr von der japanischen Landschaft zu sehen.

All den treuen Lesern: herzlichen Dank fuers Lesen und fuer die aufmunternden Kommentare. Mir hat das Schreiben Spass gemacht und ich bin jetzt, nachdem ich noch einmal meine ersten JAIMs gelesen hatte, selbst ueberrascht, wie fremd mir Japan noch vor gut einem halben Jahr vorkam. Fuer mich ist inzwischen einiges selbstverstaendlich geworden, was mir damals noch sehr fremd erschien. Ich wundere mich jetzt ueber die komischen Neu-"Gaijins" und deren Verhaltensweisen, wenn sie mit der japanischen Welt zum ersten Mal in Kontakt kommen. Das soll aber nicht heissen, dass ich jetzt alle "Fettnaepfchen" auslasse, bei mir sind es lediglich ein paar weniger geworden. Es gibt noch genuegend Gelegenheiten, sich fuer japanische Verstaendnisse absolut daneben zu benehmen.

Wenn ich demnaechst nach 10 Monaten wieder nach Deutschland zurueckkehre, brauche ich erst einmal ein paar Eingewoehnungstage in die deutsche Kultur und den Rechtsverkehr.

o-genki de (Alles Gute fuer die Gesundheit)

73 chr

PS: Seit 14.7.97 ist meine HongKong-Foto-Serie auf meiner Homepage verfuegbar.
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